Antisemitismus in Nordrhein-Westfalen: Befunde und Handlungsperspektiven

Der rechtsextreme Terroranschlag auf die Synagoge in Halle am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur im vergangenen Jahr hat das mörderische Ausmaß antisemitischer Gewalt und die Bedrohung jüdischen Lebens in Deutschland auf dramatische Weise verdeutlicht. Auch in Nordrhein-Westfalen prägen antisemitische Beleidigungen und Angriffe den Alltag von Jüdinnen_Juden. Zudem sind insbesondere der antisemitische Terroranschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn im Juli 2000, bei dem zehn Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden und eine Frau ihr ungeborenes Kind verlor, aber auch der Brandanschlag auf die Synagoge in Wuppertal 2014 Jüdinnen_Juden in Nordrhein-Westfalen in deutlicher Erinnerung. Bedauerlicherweise befördert der justizielle Umgang mit diesen Taten – im Falle des Anschlags in Düsseldorf wurde ein Verdächtiger trotz erdrückender Indizien freigesprochen, im Falle des Anschlags in Wuppertal wurde das antisemitische Motiv der Tat vom Gericht nicht als Solches anerkannt – bei Betroffenen von Antisemitismus eine weitere Verunsicherung. Beispielhaft verdeutlichen die beiden Fälle, dass Perspektiven von Betroffenen in der Beschreibung, Bewertung und im Umgang mit Antisemitismus im Bundesland bislang zu wenig Aufmerksamkeit beigemessen wurde.

2019 hat die Antisemitismusbeauftragte der Landes Nordrhein-Westfalen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf die notwendigen Mittel bereitgestellt, um die Problembeschreibung „Antisemitismus in Nordrhein-Westfalen. Wahrnehmungen und Erfahrungen jüdischer Menschen“ zu erstellen und damit jüdische Perspektiven auf Antisemitismus sichtbar zu machen. Die Durchführung übernahm SABRA – Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit, Beratung bei Rassismus und Antisemitismus gemeinsam mit Bagrut – Verein zur Förderung demokratischen Bewusstseins e.V. und der Kölnischen Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit e.V. in Kooperation mit dem Bundesverband RIAS e.V.

Im Rahmen der Problembeschreibung wurden Interviews mit 59 jüdischen Akteur_innen aus Nordrhein-Westfalen geführt. Themen der Gespräche waren u.a. die Erfahrungen der Befragten mit antisemitischen Vorfällen, ihre Strategien im Umgang mit Antisemitismus und die Vernetzung zur Stadt- und Zivilgesellschaft. Zudem wurden 1.611 antisemitische Straftaten aus den Jahren 2014–2018 systematisch ausgewertet und mit 209 zivilgesellschaftlich bekannt gewordenen Vorfällen verglichen.

Die Ergebnisse der Problembeschreibung liegen nun vor: Die Studie bietet einen Einblick in die Wahrnehmungen von Antisemitismus in Nordrhein-Westfalen durch Betroffene und jüdische Communities, analysiert aber auch staatliches und zivilgesellschaftliches Wissen über Antisemitismus im Bundesland. An die Ergebnisse können unterschiedliche Praxisfelder im Kampf gegen Antisemitismus, seien es Polizei und Justiz oder die schulische und außerschulische Antisemitismusprävention, anknüpfen.

Im Rahmen des Fachtages „Antisemitismus in Nordrhein-Westfalen. Befunde und Handlungsperspektiven“ am 7. September in den Räumen der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf werden die Ergebnisse der Problembeschreibung mit Vertreter_innen von jüdischen Gemeinden, aus der Politik sowie der interessierten Fachöffentlichkeit diskutiert.

Auf Grund der Covid-19-Pandemie ist die Teilnehmer_innenzahl vor Ort stark begrenzt. Die Veranstaltung wird daher auch online übertragen. Für beide Formen der Teilnahme ist eine Anmeldung unter veranstaltungsanmeldung@rias-bund.de notwendig.

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